In gesundheitlichen Notlagen wie der Corona-Pandemie kann es zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich sein, schweizweit geltende Massnahmen anzuordnen. Unter Berücksichtigung der - sich oftmals schnell ändernden - Bedrohungslage müssen Entscheide für Massnahmen und deren Umsetzung rasch erfolgen können. Verzögerungen können den Verlauf der epidemiologischen Lage negativ beeinflussen (Verlängerung, Verstärkung etc.).
Um eine effiziente Handlungsfähigkeit zu gewährleisten, sieht das vom Parlament und Volk genehmigte Epidemiengesetz (EpG) eine entsprechende Entscheidkompetenz des Bundesrates vor. Damit kann der Bundesrat allein über Massnahmen entscheiden, die u.a. Einschränkungen des Privat- und Wirtschaftslebens beinhalten.
Im Epidemiengesetz braucht es eine Machtbeschränkung des Bundesrates, um die Rechte des Volkes, der Kantone und des Parlaments zu schützen. In dringlichen Fällen muss und kann der Bundesrat zwar handeln, es ist aber umgehend das Parlament einzuberufen. Dieses hat nämlich eine Führungsverantwortung, die durch das Volk legitimiert ist.
Die fehlende rechtliche Einbindung des Parlaments wirkt sich negativ auf die Einbindung möglichst breiter Bevölkerungskreise aus.
Das Vertrauen in die Massnahmen oder die staatlichen Institutionen insgesamt leidet darunter, wenn vorgängig zum Entscheid keine breitere politische Debatte geführt wird. Ohne Vertrauen ist auch die Bereitschaft der Bevölkerung, die Massnahmen umzusetzen, beeinträchtigt.
Der Bundesrat befindet sich in einer einzigartigen Position, bei Pandemien schnell relevantes Expertenwissen einzuholen und entsprechende Massnahmen schweizweit anzuordnen. Damit kann sichergestellt werden, dass die Massnahmen den neuesten wissenschaftlichen Standards entsprechen, und ein “föderaler Flickenteppich” an unterschiedlich wirksamen Massnahmen vermieden werden. Für den effizienten Schutz der öffentlichen Gesundheit ist die Entscheidkompetenz im EpG deshalb gerechtfertigt.
Der Bundesrat ist sich der Verantwortung bewusst, welche ihm durch das Epidemiengesetz auferlegt wurde. Seine Entscheide zur Bekämpfung des Coronavirus fällt er stets in Abwägung der Konsequenzen auf die Gesellschaft und die Wirtschaft.
Der Handlungsbedarf, die Möglichkeiten des Bundesrates einzuschränken, ist gering. Der Bundesrat plant, Ende 2023 einen Revisionsentwurf des EpG beim Parlament einzureichen, bei dem die Erkenntnisse der Evaluation zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie und die Rolle bzw. Kompetenzen des Parlaments und Bundesrats miteinbezogen werden. Diesbezüglich soll auch geprüft werden, ob und wie ein Einbezug des Parlaments bei Entscheiden des Bundesrates in geeigneter Weise erfolgen kann.